Es ist immer eine gute Idee, auf die Natur zu achten.
Das ist sicherlich auch bei der Kälberfütterung angebracht. Aus ökonomischen Gründen trennen wir die Kälber von der Kuh und füttern sie mit „unnatürlichen“ Nuckeleimern oder am Tränkeautomaten. Dieses Verfahren wird von den Verbrauchern oft kritisiert. Zu Recht?
In diesem Artikel geht es um
Wenn man die Milchaufnahme an der Mutter und das künstliche Tränken vergleicht, werden die Unterschiede zur Natur sichtbar:
Auch wenn weitere Faktoren diese beiden Systeme beeinflussen (Haltungssystem, Vollmilch oder MAT-Tränke, Kraftfutterfütterung etc.), liegt der größte Unterschied trotz allem in der Trinkgeschwindigkeit und der Häufigkeit des Trinkens!
Am Euter muss das Kalb intensiv saugen. Das Euterstoßen sorgt für die Oxytocinausschüttung der Kuh und somit für die Milchfreigabe. Doch ohne ein aktives Saugen würde das Kalb keine Milch aus dem Euter erhalten.
Tränkeautomaten oder Nuckeleimer haben oft ein Rückschlagventil. Über einen sehr langen Nuckel (bis zu 10 cm – Kuhzitzen sind oft nur 5 bis 6 cm lang) kann das Kalb sowohl durch Saugen als auch durch Zusammendrücken des Nuckels Milch aufnehmen. Das Nuckelquetschen sorgt für ein starkes Ausschießen der Milch ins Maul. Oft kann man dann bei Kälbern beobachten, dass sie das Trinken unterbrechen oder sich gar verschlucken.
Bessere Verdaulichkeit
In Neuseeland sind kurze, schwergängige Nuckel sehr populär. Diese Nuckel sollen die Trinkgeschwindigkeit reduzieren und funktionieren ohne Rückschlagventil. Das heißt, wenn das Kalb lediglich auf den Nuckel drückt, presst es die Milch in den Eimer zurück. Um Milch zu bekommen, muss es also aktiv saugen.
Der Speichel hat verschiedene Vorteile für die Verdauung der Milch und die Gesundheit der Kälber:
Er enthält Lactoferrin-Lactoperoxidase, ein keimhemmendes Enzymsystem, das die Immunität der Kälber stärkt.
Mit seinem hohen pH-Wert puffert der Speichel den sauren Labmageninhalt ab. Die Milch kann im Labmagen, begünstigt durch die langsame Milchaufnahme, langsam gerinnen.
Außerdem unterstützen Enzyme im Speichel die Fettverdauung und zerlegen Laktose in die leicht verwertbaren Einfachzucker Glucose und Galactose.
Gesündere Kälber
Der Zwang zum Saugen und damit zum langsameren Trinken sowie eine natürliche Trinkhaltung der Kälber fördern die Ausbildung der Schlundrinne. Dies verringert das Risiko des Pansentrinkens. Bei Kälbern, die große Mengen Milch in kurzer Zeit trinken, besteht außerdem die Gefahr, dass ungeronnene Milch vom Labmagen in den Darm gelangt und dort zu einer massenhaften Vermehrung schädlicher Bakterien führt. Das langsame Trinken an schwergängigen Nuckeln unterstützt hingegen die Verdauung und führt zu weniger ernährungsbedingten Durchfällen, besonders bei jungen Kälbern.
Weniger Besaugen
Ein interessanter Aspekt ist auch die Beobachtung, dass Kälber an schwergängigen Nuckeln weniger Probleme mit gegenseitigem Besaugen zeigen. Die Trinkgeschwindigkeit beträgt nur die Hälfte bis zu einem Drittel der Geschwindigkeit an herkömmlichen Nuckeln mit Rückschlagventil. Das heißt, die Tränkeaufnahme dauert zwei- bis dreimal so lange.
Weniger Konkurrenzdruck
Beke Ostendorf nennt den langsamen Nuckel auch den gerechten Nuckel. Er sorgt in einer Kälbergruppe dafür, dass die Kälber alle ähnlich lange trinken. Einzelne Kälber haben einen geringeren Vorsprung bei der Tränke als bei den schnellen Nuckeln. Das ist besonders bei den großen Gruppeneimern von Vorteil, wenn sich zum Beispiel 6 Kälber eine Menge von 30 Litern Milch teilen müssen. Milchklau ist somit bei diesen Tränkesystemen kein bedeutendes Problem.
Die richtige Nuckelposition
Die Ausbildung des Schlundrinnenreflexes wird nicht nur durch die Nuckelform und -härte gefördert, sondern auch durch Nuckelpositionierung.
Horizontal angebrachte Nuckel entsprechen nicht dem Vorbild der Zitze am Euter, die ja nach unten hängt. Beim Trinken am Euter zieht das Kalb die Zitze leicht zur Seite. Sie hat aber trotzdem noch eine Richtung nach schräg unten. An modernen Tränkeautomaten, wie dem CalfExpert von Holm & Laue, zeigen die Nuckel in der HygieneStation mit einem Winkel von 45° nach unten. Dadurch nehmen die Kälber automatisch eine natürliche Saufhaltung mit einem lang durchgestreckten Hals ein.
Ein weiterer Aspekt ist die Nuckelhöhe. Bisher wurde häufig eine Nuckelhöhe von 70 – 80 cm empfohlen. Neue Praxiserfahrungen zeigen aber, dass eine Nuckelhöhe von nur 60 – 65 cm besser wäre, weil das der normalen Euterhöhe näherkommt. Die Kälber zeigen bei dieser Höhe einen noch intensiveren Trinkhals.
Hohe Tränkefrequenz
Hohe Milchmengen von über 10 l am Tag, wie sie heute empfohlen werden, lassen sich nur umsetzen, wenn Kälber mehr als 2 Mahlzeiten pro Tag bekommen.
Wenn Kälber große Mengen an Milch in nur wenigen Mahlzeiten aufnehmen, kommt es zu extremen pH-Schwankungen im Labmagen (Ahmed et al., 2002), die zu Magengeschwüren (zu saures Milieu, das heißt, lange Zeit unter pH 3) und unzureichender Gerinnung der Milch (zu alkalisches Milieu, das heißt, zu lange Zeit über pH 5,5) führen können.
Die Fütterung am Tränkeautomaten ist die einzige Alternative, um Kälber möglichst naturnah aufzuziehen. Mehrere Mahlzeiten am Tag mit jeweils 2, maximal 3 l, haben sich als ideal herausgestellt.
Kritik aus der Praxis
Trotz aller Vorteile langsamen Saugens bevorzugen viele Landwirte leichtgängige Nuckel aus Silikon oder sie schneiden die Nuckelöffnung noch etwas weiter auf. Der Grund ist das einfachere Anlernen junger Kälber, die leichter Milch erhalten, egal ob sie nun saugen oder drücken. Was aus arbeitswirtschaftlicher Sicht verständlich ist, erweist sich anhand des oben beschriebenen besseren Tierwohls der Kälber als bedenklich.
Hersteller der schwergängigen Nuckel, wie zum Beispiel die Firma Milkbar, bieten zum Zweck des einfacheren Anlernens leichtgängigere Starternuckel an.
Fazit
Es lohnt sich auch bei der Kälberfütterung, auf die Natur zu achten. Neben tiergerechten Tränkemengen von mehr als 10 l pro Tag ist die Art der Milchaufnahme wichtig. Erstens sorgen schwergängige Nuckel für eine gute Speichelbildung, die die Verdauung unterstützt. Zweitens neigen die Kälber durch das lange und anstrengende Trinken weniger zum Besaugen. Und drittens ist eine häufige Milchtränke mit kleinen Portionen ideal für die Verdauung der Kälber.
Der Artikel wurde leicht gekürzt. Den vollständigen Text gibt es hier: HOLM & LAUE